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Wenn Bildung die Vergewaltigungskultur unterstützt
Thailändische Schüler in einer Grundschule – Foto: Pixabay
Vergewaltigungen kommen in Thailands Schulen so häufig vor, dass sie eigentlich nicht mehr schockieren. Nicht jedoch diese Vergewaltigung. Nicht, wenn wiederholt Gruppenvergewaltigungen von Lehrern an minderjährigen Schülerinnen verübt wurden. Nicht, wenn kaltschnäuzige Lehrerkollegen die Vergewaltiger und Pädophilen als „gute Lehrer und Familienväter“ in Schutz nehmen und deren abscheuliche Verbrechen als einvernehmlichen Sex auslegen und die Opfer als „schlechte Mädchen“ beschuldigten.
Hier sind einige ihrer Beiträge in sozialen Medien:
„Menschen machen Fehler. Als ihre Kollegen wollen wir diejenigen, die sie Vergewaltiger nennen, fragen, ob sie wissen, dass die Mädchen willige Partnerinnen waren.“
„Diese Lehrer sind einfach nur Männer. Sie haben sexuelle Begierden. Wenn Sie Angst vor Vergewaltigung haben, unterrichten Sie Ihre Kinder zu Hause. Schicken Sie Ihre Kinder nicht zur Schule.“
„Sie haben auch Familien. Wenn sie im Gefängnis sind, wer kümmert sich dann um ihre Familien?“
„Vergewaltigung? Ja und? Sie machen sich zu einem undankbaren Menschen, wenn sie sich Leuten widersetzen, die sie unterrichten.“
Die Öffentlichkeit ist wütend, und das zu Recht. Sie ist nicht nur entsetzt über das schreckliche Verbrechen, sondern auch wütend über die korrupte Logik dieser Lehrer, ihrer Ignoranz gegenüber dem Gesetz und ihrer Unfähigkeit, Recht von Unrecht zu unterscheiden.
Dieses Verhalten bestätigt nur die öffentliche Meinung, dass im Schulsystem Vetternwirtschaft an oberster Stelle steht und nicht die selbsternannte Berufsethik der Lehrer oder die grundlegende Moral.
Eine solche systematische Vetternwirtschaft fördert eine Kultur der Straflosigkeit. Vergewaltigungen gehören zum Schulalltag, und vergewaltigende Lehrer werden selten bestraft. Hätte es diesmal nicht heftige öffentliche Empörung in den sozialen Medien gegeben, wären diese Männer vermutlich wieder aufgrund der Schulvetternschaft straffrei ausgegangen.
Die Empörung in den sozialen Medien hat die schlafenden Beamten der Grundbildungskommission gezwungen, die Vergewaltiger/Pädophilen während der Untersuchung vorübergehend ihrer Lehrtätigkeit zu entheben. Sie versprachen auch, Nachforschungen über jene Lehrer anzustrengen, welche die Vergewaltigungsfälle unter den Tisch zu kehren versucht hatten, wiesen jedoch darauf hin, dass eine solche Haltung keine Disziplinarmaßnahmen nach sich ziehen würde.
Wie bitte? Die Unterstützung von Vergewaltigungen verstößt nicht gegen die Berufsethik?
Ist diese Mentalität der Grund, warum sexuelle Gewalt im Bildungssystem so weit verbreitet ist? Sollten wir diesen Menschen die Verantwortung für die Ausbildung unserer Kinder anvertrauen?
Die schrecklichen Gruppenvergewaltigungen ereigneten sich an einer öffentlichen Schule in der Provinz Mukdahan. Nach den Ermittlungen der Polizei fanden die Vergewaltigungen wiederholt durch fünf Lehrer und zwei ehemalige Schüler auf dem Schulgelände statt. Den beiden Opfern im Alter von 14 und 16 Jahren wurde Berichten zufolge damit gedroht, sich zu fügen und den Mund zu halten oder in ihren Prüfungen durchzufallen und Videoclips der Übergriffe online zu stellen. Einige Vergewaltiger gaben den Opfern nach der Vergewaltigung auch Geld.
Diese Männer nutzten ihre Schülerinnen sexuell aus und betrachteten die Schule als Bordell, doch ihre Vorgesetzten und Kollegen fanden nichts Verwerfliches daran. Diese Verbrechen zogen sich über ein Jahr hin. Es ist unmöglich, dass niemand davon wusste, bis die Angelegenheit ans Licht kam, als die Großmutter eines Opfers zur Polizei ging.
Die Vetternwirtschaft veranlasste andere Lehrer, möglicherweise auch den Schuldirektor, den Blick abzuwenden. Aufgrund der leider vorherrschenden Sexismus- und Vergewaltigungskultur verurteilen sie zudem die Opfer und stellten sie als „schlechte Mädchen“ hin, die „darum gebeten hätten“.
Diese Mentalität ist durch und durch widerwärtig. Und die Amtsträger in Bangkok finden es immer noch in Ordnung, dass solche Lehrer unsere Kinder unterrichten.
Das ist inakzeptabel.
Der größte Teil unserer Steuergelder geht an das Bildungsministerium. Wir zahlen mehr als 500 Milliarden Baht pro Jahr für anständige Gehälter der Lehrer an öffentlichen Schulen und lebenslange Rentensicherheit. Sollen wir für Lehrer bezahlen, die glauben, dass Vergewaltigung in Ordnung ist?
Der Schulskandal in Mukdahan hat eine Flut öffentlicher Forderungen nach Gerechtigkeit ausgelöst, Schulen vor allen Arten sexueller Gewalt zu schützen.
Verzeihen Sie meinen Pessimismus. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Schulen ein sicherer Ort für Kinder sein können, wenn das Bildungssystem in Autoritarismus verstrickt ist und die Schulen wie Militärlager geführt werden.
Entlarven Sie den Mythos, dass das Ziel unseres Bildungssystems darin besteht, zu erziehen und Kreativität zu fördern. Es ist alles Lüge. Seine wirkliche Mission besteht darin, strikten, militärähnlichen Gehorsam einzuflößen, eine auf Ultranationalismus und Rassismus basierende Staatsideologie zu indoktrinieren, die soziale Hierarchie aufrechtzuerhalten und die Frauen auf ihre Ränge zu verweisen. Das Ziel ist die Aufrechterhaltung des männlich dominierten Status quo.
Patriarchat, Sexismus und sexuelle Unterdrückung gedeihen, um die Menschen in diesem übergreifenden Autoritarismus zu kontrollieren – insbesondere Frauen. Vergewaltigungen an Schulen und andere Formen sexueller Gewalt sind bloße Manifestationen der autoritären und militaristischen Kultur, die das geschlossene System unserer Schulen regiert.
Autoritarismus indoktriniert Menschen, sich der Macht zu unterwerfen. Sexismus bringt Vergewaltigungsopfer aus Angst vor sozialer Stigmatisierung zum Schweigen, während Vetternwirtschaft die Täter gegen das Verbrechen immun macht. Die Vergewaltigungskultur geht also weiter.
Es ist so gut wie unmöglich, Schulen für Mädchen sicher zu machen, wenn die Gesellschaft dies nicht tut.
Ein Mitspracherecht der Öffentlichkeit beim Schul-Management könnte zu mehr Transparenz führen und zur Verbesserung der Situation beitragen. Aber eine öffentliche Beteiligung und die Dezentralisierung der Schulen stoßen an eine Mauer. Die Hierarchie des Bildungsministeriums und seine Lehrer pochen auf ihre Machtansprüche.
Gegenwärtig kommt jede Schulpolitik direkt aus dem Bildungsministerium in Bangkok. Die Gemeinden können nicht einmal bestimmen, wie und durch wen ihre Kinder unterrichtet werden sollen. Die Lehrer sind in erster Linie Ortsfremde, die auf Anordnung von oben in die Gemeinden versetzt werden. Da die Gemeinden bei deren Gehaltsbezügen und bei Beförderungen kein Mitspracherecht haben, nehmen diese Lehrer wenig Rücksicht auf die Einheimischen.
Währenddessen umgeht der nationale Lehrplan von Bangkok die örtliche Vielfalt und die Geschichte, nährt bei den Kindern die Träume der Stadt und lässt sie auf ihre eigenen kulturellen Wurzeln herabblicken. Während das Auswendiglernen das kritische Denken tötet, verschärft die große Kluft in der Bildungsqualität zwischen ländlichen und städtischen Schulen die Ungleichheit noch weiter.
Viele andere soziale Missstände im Land haben ihre Wurzeln in Vorurteilen und Diskriminierung. Sie gehen darauf zurück, wie die Menschen in den Schulen unterrichtet wurden.
Zunächst einmal unterzieht die ultranationalistische Schulbuchgeschichte Generation um Generation von Schülern einer Gehirnwäsche, damit sie glauben, das Land gehöre nur der thailändischen Rasse.
Das ist falsch. Tatsächlich war das heutige Thailand lange Zeit ein Kreuzungspunkt der Kulturen und Heimat verschiedener Ethnien, bevor die thailändischsprachigen Menschen aus Südchina auf die Halbinsel einwanderten.
Die negativen Auswirkungen der von Bangkok auferlegten falschen Überlegenheit von „Thainess“ sind vielfältig.
Nicht nur die lokalen kulturellen Identitäten werden mit Bulldozern plattgemacht, sondern die politische Zentralisierung auf der Grundlage des Autoritarismus ermöglicht es der thailändischen Zentralregierung auch, die Umwelt und die Quellen des Lebensunterhalts landesweit zu zerstören, ohne Rücksicht auf ihre Lebensweise.
Die rassistische Nationalgeschichte macht auch die einheimischen Waldbewohner zu Außenseitern und setzt sie gewaltsamer Verfolgung aus. Vom Bildungssystem einer Gehirnwäsche unterzogen, um ethnische Minderheiten als Bedrohung der nationalen Sicherheit zu sehen, unterstützen die Öffentlichkeit und die Medien die Brutalität.
Derweil steht der Rassismus gegen die malaiischen Muslime im tiefen Süden hinter der langjährigen politischen Unterdrückung durch die Zentralregierung, die die Separatistenbewegung hervorgebracht hat.
In gleicher Weise unterstützt dieses weitverbreitete ethnische Vorurteil den Einsatz sklavenähnlicher Arbeitskräfte in der kommerziellen Fischereiindustrie, was dem Land weltweit zu trauriger Berühmtheit verholfen hat.
Auch das Bildungssystem ist antidemokratisch, da es eine autoritäre Kultur pflegt, die Demokratie schwer fassbar macht. Der Schulmilitarismus zähmt auch junge Geister, die sich der Macht unterwerfen und leider autoritäre Werte als ihre eigenen betrachten. Folglich bleibt die Militärdiktatur eine Hauptstütze der thailändischen Politik.
Die Forderungen nach Bildungsreformen konzentrieren sich oft auf die Notwendigkeit, die Qualität der Bildung zu verbessern, die heute weit hinter Weltniveau liegt. Die Klagen beziehen sich oft auch auf das Versagen des Bildungssystems, den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Diese Unzulänglichkeiten können nicht mit seinem eigentlichen Laster verglichen werden – einer Bildung, die junge Menschen mit Patriarchat, rassischer Überlegenheit und Diktatur vergiftet.
Die vergewaltigenden Lehrer müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber die sexuelle Gewalt wird nicht aufhören, wenn wir uns nicht mit Machtmissbrauch und Sexismus befassen, die durch das Bildungssystem genährt werden.
Bangkok Post / Sanitsuda Ekachai