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Gericht ordnete Auflösung von Oppositionspartei an
Zehn Jahre Berufsverbot für Thanathorn Juangroongruangkit. – Foto: Facebook
„Auf der einen Seite freue ich mich für die Future Forward Party, auf der anderen Seite tut sie mir leid. Doch für einige ist es nur Karma. Für das, was man anderen angetan hat, leidet man jetzt. Das Gute triumphiert immer über das Böse.“
So einfach machte es sich Srinual Boonlua, Abgeordneter der Bhumjaitai Party, der früher bei der Future Forward Party war.
„In zehn Jahren wird dieser Mann 51 Jahre alt sein. Nicht zu alt, um Premierminister zu werden. Aber es ist bedauerlich, dass die Kinder dieses Landes zehn Jahre auf eine bessere Zukunft warten müssen“, sagte Pannika Wanich von der Future Forward Party über den Parteivorsitzenden Thanathorn Juangroongruangkit, der neben dem Parteienverbot mit einem zehnjährigen Berufsverbot belegt wurde. Zum Vergleich: Nach der Auflösung der Thai Rak Thai Party erhielt Thaksin Shinawatra „nur“ fünf Jahre Berufsverbot. Jetzt wurden offensichtlich Nägel mit Köpfen gemacht.
Das Verfassungsgericht hat am 21. Februar entschieden, die Future Forward Party (FFP) aufzulösen, weil sie angeblich unrechtmäßig Gelder erhalten hat (in Form eines Kredites durch den Parteivorsitzenden Thanathorn). Gleichzeitig hat das Verfassungsgericht den Mitgliedern des Exekutivkomitees der Partei für einen Zeitraum von zehn Jahren verboten, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen oder eine andere Partei zu gründen.
Auf diese Weise brachte das Verfassungsgericht eine Partei erst einmal zum Schweigen, die als die stärkste Bedrohung für die herrschende Regierung angesehen wurde. Das Parteiverbot könnte allerdings auch nach hinten losgehen.
Die thailändische Wahlkommission hatte zuvor entschieden, dass 191 Millionen Baht, die der vom Vorsitzenden Thanathorn seiner Partei gewährte Kredit illegal war. Die FFP behauptete, dass sie beim Erhalt des Darlehens von Thanathorn keine Gesetze verletzt habe und dass keine Gesetze den Parteien untersagen, Darlehen in transparenten Beiträgen zu erhalten.
Die von der damaligen Militärjunta ernannte Wahlkommission wollte gleichzeitig aber nicht erkennen, dass die von der Regierung geführte Palang Pracharat Party bei einem Galadinner 650 Millionen Baht von großen privaten Unternehmen für ihren allgemeinen Wahlkampf 2019 erhalten hatte.
Es war auch dieselbe Wahlkommission, die dem Verfassungsgericht empfohlen hatte, die Auflösung der demokratiefreundlichen Thai Raksa Chart Party vor den Wahlen anzuordnen. Und es war diese Wahlkommission, die die Wahlergebnisse „neu kalibrierte“, um kleineren Parteien einen Sitz im Parlament zuzuschanzen, um die Sitze der oppositionellen Phuea Thai Party zu minimieren. Das Sprichwort „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing“ in seiner reinsten Thai-Style-Form.
Einige Wochen zuvor verwarf das Verfassungsgericht, das dafür berüchtigt ist, aus Sicht des Establishments „unliebsame“ Parteien aufzulösen, eine fadenscheinige Anschuldigung. Schon da hatte die FFP vor Gericht gestanden – wegen der Behauptung, die Partei sei von Illuminaten unterwandert. Beweis: Das Parteilogo – ein auf dem Kopf stehendes Dreieck – erinnere an eine Pyramide, das Logo der Illuminaten.
Das Verfassungsgericht wollte der Klägerseite nicht folgen und wies die Klage zurück. Einige politische Beobachter aber begriffen, dass diese Entscheidung des Gerichts ein Täuschungsmanöver war, das eine öffentliche Fassade der Unparteilichkeit demonstrieren und den Weg für die echte Bombe ebnen sollte, die letztendlich dazu dienen würde, wieder einmal zu beweisen, was Rechtsstaatlichkeit in Thailand bedeutet.
Die FFP bekam bei ihrem politischen Debüt bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr landesweit 17 Prozent der Stimmen und landete damit auf einem überraschend guten dritten Platz. In Zusammenarbeit mit der Phuea Thai Party, die die Mehrheitssitze im Repräsentantenhaus hat, und anderen demokratiefreundlichen Parteien, kann die Opposition im Parlament durchaus eine destabilisierende Kraft für die Regierung sein, die nur mit hauchdünner Mehrheit regiert.
Die Regierung wird von Premierminister General Prayuth Chan-ocha angeführt, dem ehemaligen Armeechef, der 2014 die demokratisch gewählte Regierung unter der Führung der Phuea Thai Party von Yingluck Shinawatra gestürzt hatte.
Durch die Auflösung der FFP wurde die Gefahr eines für die Regierung womöglich peinlichen Misstrauensvotums im Parlament wirksam beseitigt, obwohl einige verbliebene FFP-Abgeordnete, die nicht vom Berufsverbot betroffen sind, zu einer anderen Partei ihrer Wahl wechseln können.
Daher ist es klar, dass der Schritt in Richtung Auflösung politisch motiviert war und darauf abzielte, die Regierungsmehrheit von General Prayuth und seinen Verbündeten im Parlament aufrechtzuerhalten. Sie werden von großen Unternehmen und dem Establishment unterstützt.
Die FFP war unter den Oppositionsparteien die Partei, die überhaupt kein Blatt vor den Mund nahm, und dem Militär sehr kritisch gegenüberstand.
Im politischen Spektrum der Oppositionsparteien wird die FFP als extrem linksgerichtete Partei angesehen, während die Phuea Thai Party als konservativere Mitte-Rechts-Partei angesehen werden kann. (In Deutschland würde man die Phuea Thai Party wohl als Rechtsaußen bezeichnen, wobei es dann keinen Begriff mehr gäbe, wie man die Regierungspartei Palang Pracharat nennen könnte.)
Zuvor war Thanathorn, der Vorsitzende der FFP und ehemaliger Kandidat für das Amt des Premierministers, vom Verfassungsgericht wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz durch das Halten von Medienanteilen untersagt worden, für seine Partei im Parlament zu sitzen. Dass Abgeordnete der Regierungspartei im Parlament sitzen, obwohl sie ebenfalls Anteile an Medienunternehmen haben oder hatten, spielt indes keine Rolle.
Bei dem Medienrummel um die Auflösung der FFP sollte man nicht vergessen, dass sich hier Geschichte wiederholt. Das Verfassungsgericht hatte nach dem Militärputsch von 2006 gegen die demokratisch gewählte Regierung von Thaksin Shinawatra dessen Thai Rak Thai Party verboten.
Das war ein gefährlicher Präzedenzfall, weil das Verfassungsgericht danach immer wieder Parteien verbot wie die Palang Prachachon, Chart Thai und die Machima Thipatai.
Die Auflösung einer Partei ist daher mittlerweile zu einem bequemen Instrument geworden, die Opposition zu zerstören, ohne die Interessen des Landes oder der Wähler, die diese Parteien unterstützen, zu berücksichtigen.
Erfundene Vergehen, die diese Parteien begangen haben sollen, rechtfertigen keine Auflösung der Partei, da sie weder die nationale Sicherheit noch das Überleben des Landes gefährden. Die derzeitige Verfassung enthält keine Bestimmung, die es dem Verfassungsgericht ermöglichen würde, Parteien aufzulösen. Die Sorge, dass es zu einem Parteiverbot kommen könnte, hemmt die Entwicklung der Parteien, obwohl diese Entwicklung doch ein unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie ist.
Thailand ist neben der Anzahl der Staatsstreiche nun auch auf dem besten Weg zum Pionier, was die vielen Parteiverbote betrifft. Thailands autoritäre Kräfte sind dünnhäutig in ihrer Toleranz gegenüber demokratiefreundlichen Kräften und neigen dazu, Auflösungsverfahren von Parteien eher als Routine zu betrachten und nicht als extremste Maßnahme anzusehen, wenn diese Partei tatsächlich zu einer Gefahr wird.
Die Frage ist, wie lange das thailändische Volk fügsam bleiben und das alles mitmachen wird. In den Universitäten regt sich bereits erster Widerstand.
Übersetzung eines englischsprachigen Artikels aus www.asiasentinel.com
Erschienen in der TIP-Ausgabe 2020-4.
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