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Die ,Rose des Nordens‘ welkt


Foto: Father150

Chiang Mai ist 700 Jahre alt, die Stadt liegt eingebettet in ein grünes Tal im Norden, genießt seit langem den Ruf eines Märchentraums für ihre unzähligen buddhistischen Tempel und charmanten Holzhäuser, die guten Manieren ihrer Einwohner und eine Ruhe, die nur ab und an durch Tempelglocken gestört wird.

Laut offiziellen Angaben besuchten 2018 mehr als zehn Millionen Touristen die Stadt und ihre Umgebung, während lokale Auswanderer-Gruppen schätzen, dass in der Region bis zu 60.000 Rentner aus verschiedenen Ländern leben.

Doch die Besucher haben sich vielleicht in letzter Zeit gefragt, wo denn nun das Paradies in Form der „Rose des Nordens“ abgeblieben ist.

An manchen Tagen zwischen Februar und Anfang Mai wurde Chiang Mai nach offiziellen Angaben als die am stärksten verschmutzte Stadt der Welt eingestuft, deren Luftqualität schlechter war als die der berüchtigten Dreckschleudern Neu-Delhi, Peking, Dhaka oder Ulan Bator.

Zu dieser Zeit sind die Berge die die Stadt umgeben kaum oder gar nicht zu erkennen, während Einheimische und Touristen Atemmasken tragen und die vielen Straßencafés meiden. Einige Menschen und Haustiere husteten Blut und Hunderte wurden in Krankenhäusern wegen Atemwegserkrankungen behandelt. Die meisten Fälle von Lungenkrebs im Land kommen in Chiang Mai vor.

Die Hauptursache für diesen Verschmutzungshorror war ein regionales Inferno aus brennenden Feldern und Wäldern. Jedes Jahr setzen Bauern in ganz Nordthailand trotz deutlicher Warnungen und hoher Strafen die abgeernteten Felder in Brand, um sie auf die nächste Aussaat vorzubereiten. Derweil legen Dorfbewohner in den Bergen Feuer, um Pilze, Ameiseneier und andere Waldprodukte für den kommerziellen Verkauf zu ernten. Ähnliches findet im benachbarten Burma, in Laos und in Kambodscha statt.

Rund 70 Prozent der städtischen Einnahmen stammen aus dem Tourismus. Wegen des starken Rückgangs der thailändischen und ausländischen Besucher in diesem Jahr wurde die Wirtschaft von Chiang Mai in Mitleidenschaft gezogen. Die Hotelbuchungen gingen um bis zu 20 Prozent zurück. Darüber hinaus ist die alljährliche „Brenndauer“ der Felder und Wälder, die in diesem Jahr allgemein als die schlimmste aller Zeiten angesehen wurde, nicht die einzige Herausforderung, der sich Thailands Drehscheibe im Norden gegenübersieht.

Eine ältere Generation von Bürgern, die mit Rikschas aufgewachsen ist, lebt jetzt in einer aufstrebenden Millionen-Metropole mit Verkehrsstaus wie in Bangkok und praktisch ohne öffentliche Verkehrsmittel. Fahrzeuge verpesten die Straßen, während Stadtplanung quasi nicht existent ist und die einst beschauliche Altstadt Neubauten zum Opfer fällt.

Privatfahrzeuge machen mehr als 90 Prozent des Verkehrs aus. Eine Studie der Universität Chiang Mai prognostizierte 2017, dass bis 2026 2,6 Millionen Fahrzeuge die Straßen der Stadt überfüllen werden, doppelt so viel wie ein Jahrzehnt zuvor. Seit Jahren sind die Baht-Busse die einzigen öffentlichen Verkehrsmittel.

Der Bau eines Stadtbahnsystems sollte 2020 beginnen, und innerhalb von fünf Jahren sollte eine zwölf Kilometer lange Strecke fertig sein. Der Bürgermeister von Chiang Mai, Tassanai Buranupakorn, sagte jedoch, dass die Bauarbeiten wahrscheinlich verzögert werden.

Nawit Ongsavangchai, Architekturexperte an der Universität von Chiang Mai, sagte, die Pläne für eine angemessene und nachhaltige Entwicklung seien durch weit auseinandergehende Ansichten über die Zukunft der Stadt bei Einheimischen, Bangkoker Geschäftsleuten, Ausländern, Touristen und Migranten ethnischer Minderheiten beeinträchtigt worden.

Vor allem, so Nawit, sei es den Stadtbeamten nicht gelungen, dringende Probleme rechtzeitig und umfassend zu lösen, was eine unkontrollierte Entwicklung ermöglichte.

„In der Vergangenheit war es uns nicht so wichtig, unsere Geschichte zu bewahren“, sagte er. „Wir haben gebaut, gebaut, gebaut, sodass die alten Häuser aus unserer urbanen Landschaft verschwunden sind.“

Der wirtschaftliche Aufstieg von Chiang Mai begann während des Wirtschaftsbooms in den 80er Jahren, in dem Bangkoks Investoren in die Stadt strömten, um Eigentumswohnungen, Hochhäuser und Hotels zu bauen. Einige verstießen gegen Vorschriften, andere nutzten Schlupflöcher in den Stadtplanungsgesetzen.

„Chiang Mai leidet wie Bangkok unter der Krankheit der raschen und ungeregelten Entwicklung. Die Grande Dame ist krank“, sagte die Politikwissenschaftlerin Tanet Charoenmuang 1995, als die Stadt den 700. Jahrestag ihrer Gründung feierte.

Der Zustand der Patientin hat sich seitdem verschlechtert, obwohl die Stadt für viele ein Anziehungspunkt bleibt und Ecken und Gassen mit bleibendem Charme bietet und wegen der atemberaubenden Umgebung und den Segnungen der Natur. Touristen kommen immer noch, angeführt von Besuchern aus China, und die Stadt zieht weiterhin Künstler, Designer, Schriftsteller und Digitalnomaden an. 2017 wurde Chiang Mai von der UNESCO als kreative Stadt für Kunsthandwerk und Volkskunst ausgezeichnet, und die Stadtväter bereiten eine Bewerbung für den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes vor.

Das wird allerdings nicht einfach. Suwaree Wongkongkaew, Leiterin des Kunst- und Kulturzentrums der Stadt, bemerkte: „Es gibt Leute, die denken, dass Chiang Mai zu angeschlagen ist, um als Weltkulturerbe eingestuft zu werden. Sie sehen nicht, wie wir das innerhalb der derzeitigen Mechanismen in der Stadtverwaltung durchsetzen könnten.“

Der Kern des UNESCO-Vorschlags betrifft die Altstadt von Chiang Mai, ein 2,2 Quadratkilometer großes Gebiet, das von einer alten Stadtmauer und einem Wassergraben flankiert wird, sowie den Berg Doi Suthep, der sich über die Stadt erhebt und auf dem ein wunderbarer Tempel steht.

In der Altstadt, dem Sitz vergangener Könige, finden sich zahlreiche Restaurants, Boutiquehotels, Souvenirläden und Tattoo-Studios. Kein Gebäude darf mehr als zwölf Meter hoch sein und sollte einige örtliche Merkmale aufweisen. Aber viele Strukturen sind eindeutig ungeeignet, wie beispielsweise ein Betonblock, der ein Haus sein soll, in dem ein Toyota-Händler sitzt.

Viele Einwohner betrachten Doi Suthep als heilig und erinnern sich an die Legende über den weißen Elefanten, von dem angenommen wird, dass er einen Teil von Buddhas Schulterknochen auf den Gipfel getragen hat. Trotzdem wurde der Berg stark in Mitleidenschaft gezogen. Obwohl er Teil eines Nationalparks ist, werden beträchtliche Segmente für einen botanischen Garten, einen Safaripark und offizielle Einrichtungen genutzt.

Bei der jüngsten Nutzungsmaßnahme wurden 23,5 Hektar Wälder am Fuße des Berges vernichtet, um Bungalows, Eigentumswohnungen und Ferienhäuser für Richter und Gerichtsbeamte zu bauen. Trotz heftiger Proteste lokaler Umweltverbände wurde bislang ein Abriss nicht angeordnet. Zwar werden hier keine Richter wohnen, aber was mit den Gebäuden geschehen soll, ist bislang nicht geklärt.

Aktivisten haben sich außerdem gegen einen Wald aus mehrstöckigen Werbetafeln gewandt, auf denen alles von Feuchtigkeitscreme bis hin zu Pick-ups beworben wird. Der Panoramablick auf die Berge ist jetzt versperrt.

„Der Verlust eines Juwels der thailändischen Kultur, der Verlust eines einzigartigen traditionellen Ortes, der für traditionelle, südostasiatische und buddhistische Lebensweise steht, ist mehr oder weniger auf mangelnde Vorausschau zurückzuführen“, sagte James Stent, ein ehemaliger Bankier, der als Berater für Projekte des asiatischen Kulturerbes fungiert. Er kam 1967 zum ersten Mal nach Chiang Mai.

Stent sagte, die kulturelle Zerstörung Thailands sei in Chiang Mai „stärker ausgeprägt als anderswo. Der Charme und die Kultur von vor einem halben Jahrhundert sind jetzt für Touristen mundgerecht verpackt“, sagte er. „Die Unternehmen sind durch den massiven Ansturm des Tourismus aufgestiegen, aber auf Kosten der Verwandlung der Stadt in einen Themenpark. Die Stadt wirkt jetzt wie eine Parodie auf das alte Chiang Mai.“

Es ist unwahrscheinlich, dass diese Art von Kritik die Touristenströme bremsen wird, aber die Behörden sind eindeutig besorgt, dass die Öffentlichkeitsarbeit über die Umweltverschmutzungskrise von Chiang Mai in diesem Jahr die Besucherzahlen schwinden lassen wird. Offizielle Statistiken sind noch nicht verfügbar, aber nach einer Schätzung von Annette Brady, Besitzerin einer Pension, sind die Tourismuszahlen zum thailändischen Neujahrsfest, der absoluten Hochsaison in Chiang Mai, um 30 % gefallen.

Einige Thais und Ausländer zogen an die Strände oder gleich ins Ausland, um der Luftverschmutzung zu entkommen. Unternehmen klagen über mangelnde Kunden und selbst Sehenswürdigkeiten wie das Thapae-Tor an der alten Stadtmauer, das besonders bei chinesischen Touristen beliebt ist, bleibt an manchen Tagen fast verwaist.

„Erinnern sich die Leute an die Umweltverschmutzung in diesem Jahr und buchen deshalb nicht nächstes Jahr während der Rauchsaison? Ja, ich denke, sie werden sich erinnern“, sagte Brady, die seit vielen Jahren in Chiang Mai lebt.

Selbst wenn dem Verkehrs- und Baudruck irgendwann begegnet wird, scheint es keine wirksame Antwort zu geben, wie das jährliche Verbrennungsritual beendet werden kann.

„Wir haben alles getan, um das Problem zu lösen“, sagte der Gouverneur der Provinz, Supachai Iamsuwan, gegenüber der lokalen Zeitschrift Citylife. „Wie kann man Brände in den Wäldern verhüten? Wie kann man die Einstellung der Leute ändern? Es hängt alles von Bewusstsein und Bildung ab.“

Trotzdem lehnte der Gouverneur Aufrufe ab, die Provinz zum Katastrophengebiet zu erklären, aus Angst, das Image von Chiang Mai als Touristenziel könnte weiter beeinträchtigt werden.

Übersetzung eines engl. Artikels aus „Nikkei Asian Review“.

Erschienen in der TIP-Ausgabe 2019-8
 

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