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Fehlgeleitete Krisenpolitik
Regierungssitz in Bangkok – Foto: Wikipedia
Die Initiative von Premierminister Prayut Chan-o-cha, die 20 reichsten Milliardäre Thailands um mehr Zusammenarbeit und Unterstützung zu bitten, ist verständlich. Thailand braucht jede Hilfe, die es bekommen kann, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise zu bewältigen. Ein schriftlicher Appell von oben an die Reichsten des Landes ist jedoch kurzsichtig und auf vielen Ebenen fehlgeleitet. Es zeigt eine Regierung am Ende ihrer Fähigkeiten und eine Führungspersönlichkeit, die gezwungen ist, sich einzugestehen, dass sie das Land in den letzten sechs Jahren schlecht verwaltet hat.
Auf den ersten Blick ist es sinnvoll, sich mit Thailands angeblichen Konglomeratsführern zu beraten. Das Vermögen jeder dieser 20 reichsten Personen wird auf über eine Milliarde Dollar geschätzt, und die Gruppe ist laut der jüngsten Veröffentlichung der Zeitschrift Forbes (Thailand) insgesamt mehr als dreieinhalb Billionen Baht wert.
Die Schlussfolgerung aus der Fähigkeit der Anhäufung eines solchen Vermögens durch diese Unternehmer und Führungskräfte ist, dass sie ja eigentlich wesentlich schlauer sein müssen, als die Mehrheit der thailändischen Bevölkerung. Durch das Geheimniss ihres Geschäftserfolgs und des daraus resultierenden Reichtums könnten sie Thailand in der Stunde der Not helfen – so die Logik.
Berichten zu folge hat der Premierminister ihnen in seinem Brief für ihre Hilfe bei der Bewältigung der negativen Auswirkungen der Viruskrise gedankt und sie ermahnt, als „Vorbilder in unserer Gesellschaft“ sich aufgrund ihrer „besonderen Fähigkeiten stärker zu engagieren“ und um Vorschläge und Pläne gebeten, um ihren Landsleuten schnell und wirksam zu helfen“. Viele sind nun gespannt, wie diese superreichen Geschäftsmogule auf die Bitte des Premierministers reagieren werden.
Ein genauerer Blick auf einige dieser wohlhabenden Tycoons lässt vermuten, dass die Quellen ihres Erfolgs weniger mit geschäftlichen Fähigkeiten als mit politischem Geschick zu tun haben. Einige der lukrativsten Unternehmen Thailands stammen aus staatlichen Konzessionen, beispielsweise für Alkohol und Zollfreiheit. Diese konzessionierten Barone bauten ihr Vermögen nicht aus unternehmerischem Engagement unter fairem Wettbewerb auf, sondern aus Monopolmacht, die Regierungsgeschäfte betraf. Ihre Monopolgewinne werden wiederum genutzt, um die weitere Expansion im In- und Ausland voranzutreiben. Die von Prayut geführte Regierung hat einige von ihnen begünstigt, indem sie beispielsweise Bargeld erhielt, um einen Erwerbswettbewerb zu vermeiden, und einen langfristigen Landpachtvertrag ohne Ausschreibung verlängerte. Auf den Fall, dass einer der 20 Tycoons 2014 das Familienland des Premierministers zu einem stattlichen Preis gekauft hat, wollen wir hier nicht näher eingehen.
Sicherlich konnten sich einige der 20 Konglomerate im freien Wettbewerb durchsetzen und aufsteigen. In der Regel sind das exportorientierte Unternehmen, die auf Märkte im Ausland angewiesen sind, wo die Konkurrenz groß ist. Das ist selbstverständlich anzuerkennen und solche Firmen dienen als Beispiel für aufstrebende thailändische Klein- und Mittelunternehmen.
Unternehmen hingegen, die aus Monopolkonzessionen hervorgegangen sind, haben in Wirklichkeit den thailändischen Markt nach Belieben gemolken, um dorthin zu gelangen, wo sie sind. Dabei sollten sie sich bereits jetzt – ohne dass der Premierminister darum bitten muss – verpflichtet fühlen, dem thailändischen Volk zu helfen, das ihnen überhaupt erst den Aufstieg und Wohlstand ermöglicht hat.
Darüber hinaus bittet der Premierminister aus einer schwachen Position um die Unterstützung der Konglomeratsbarone. Ab 2014, als der damalige Armeechef General Prayut putschte und die Macht übernahm, bis letztes Jahr, als Wahlen stattfanden, machte die von Prayut geführte Regierung massive Schulden in Höhe von fast 1,8 Billionen Baht, was einem Durchschnitt von 350 Milliarden Baht pro Jahr über fünf Jahre entspricht. Wo ist das ganze Geld geblieben? Mit einem Budget von 3,2 Billionen für das laufende Geschäftsjahr verfügt die Regierung als Einheit über mehr Mittel als die anderen auf der Liste der Reichsten. Wo ist dieses Regierungsgeld? Die Superreichen um Almosen zu bitten, lässt das mangelhafte Geldmanagement der Regierung erkennen und beleidigt die Menschen, die mehr von ihren Führern erwarten.
Im gleichen Zeitraum 2014-19 erhöhten laut einer viel zitierten Studie die reichsten 1% Thailands ihren Anteil am Nationalvermögen von 59% auf 65%. Hätte die Regierung den Mut, die oberen Ränge stärker zu besteuern, um den Reichtum zu verteilen und die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern, gäbe es in diesen Viruszeiten mehr fiskalische Munition, mit der man arbeiten könnte, und das Wohlstandsgefälle wäre nicht so krass.
Normalerweise sollten Regierungen in guten Zeiten vorsorgen, um in schlechten Zeiten auf Rücklagen zurückgreifen zu können. Aber die Führung von General Prayut ist mit einer beispiellosen Schuldenanhäufung vor der Covid-19-Krise verbunden. Jetzt, in einer Zeit, in der viele Menschen unter existenzbedrohenden Einkommensverlusten leiden, hat die Regierung keinen fiskalischen Handlungsspielraum.
Zusätzlich zu dem ohnehin schon riesigen Schuldenberg werden die zusätzlichen 1,9 Billionen Baht an Rettungsmitteln der Regierung in diesem Jahr die Staatsverschuldung in die Nähe der gesetzlichen Grenze von 60% des BIP bringen. Das fiskalische Missmanagement Thailands angesichts undurchsichtiger Wachstumsstrategien ist ein Hauptgrund dafür, dass der Premierminister Hilfe bei den führenden Wirtschaftsbaronen suchen muss.
Welche Hilfe auch immer die reichsten Unternehmer leisten: Woher sollen wir wissen, dass keine Bedingungen daran geknüpft sind? Wie können wir in Thailands allgegenwärtiger Kultur der Schirmherrschaft sicher sein, dass diese wohlhabenden Personen in Zukunft keine Gegenleistung in Form einer günstigen Regierungspolitik erwarten? Wird das thailändische Volk am Ende diesen Superreichen verpflichtet sein, weil der Premierminister um ihre Hilfe gebeten hat?
Das alles sind Fragen, die sich überhaupt nicht stellen würden, wenn die Regierung die Wirtschaft besser ausbauen und Einnahmen erzielen könnte.
Im Prinzip ist nichts Schlechtes daran, reich zu sein. Aber wenn die reichsten Thailänder gebeten werden müssen, ihrem Land zu helfen, kann etwas nicht stimmen. Helfen kann man jederzeit und überall.
Wenn Elite-Milliardäre helfen wollen, brauchen sie keine Anfrage der Regierung. Wenn die Regierung Führungsqualitäten hätte, würde sie selbst wissen, was die Ärmsten im Land benötigen, anstatt die Reichsten zu bitten, sich stärker zu engagieren und Vorschläge und Pläne zu unterbreiten.
Bangkok Post / Thitinan Pongsudhirak, außerordentlicher Professor an der Chulalongkorn-Universität