Content
Bangkok sinkt: Was kann getan werden?
Foto: TIP-Archiv
Bangkok sinkt – und das ziemlich schnell. Die Stadt breitet sich immer weiter aus, und gleichzeitig wohnen mehr als zehn Millionen Menschen jährlich zwei Zentimeter tiefer, wenn man Schätzungen von Greenpeace glauben will. Unterdessen soll der Golf von Thailand um vier Millimeter pro Jahr ansteigen, wobei die Angaben über den angeblich steigenden Meeresspiegel umstritten sind.
Die thailändische Hauptstadt liegt nicht viel mehr als 1,50 Meter über dem Meeresspiegel. Es könnte, falls die Stadt weiter sinkt, bald jedes Jahr zu ähnlichen Bildern wie bei der Jahrhundertflut von 2011 kommen, bei der es nur mit Mühe und Not gelang, große Teile der Stadt vor dem Hochwasser zu schützen. Dafür wurde aber in Kauf genommen, das Umland wochenlang im Schlammwasser versinken zu lassen.
„Als ich jung war, mochte ich Überschwemmungen“, sagte die Architektin Kotchakorn Voraakhom, die aus der Stadt stammt. „Ich fuhr mit meinem kleinen Boot raus, und die Straße wurde zum Kanal, das war ein großer Spaß. Doch nach 2011 sagte jeder so etwas wie: Oh, was in der Kindheit Spaß war, ist jetzt eine Katastrophe.“
Und es wird schlimmer, behauptete Kotchakorn, ohne indes einen Beweis vorzulegen. Sicherlich ist auch der Mensch an den regelmäßigen Überschwemmungen in Bangkok schuld. Aber vielleicht nicht, weil er das Klima verändert, sondern weil er die Kanäle zugeschüttet hat und aus diesen Straßen machte. Früher nannte man Bangkok „Venedig des Ostens“. Die Flut kam und konnte wegen der vielen Kanäle zügig ins Meer abfließen. Das geht jetzt nicht mehr, weil die meisten Kanäle verschwunden sind. Dass dem Klima zuschreiben zu wollen, ist schon ein wenig an den Haaren herbeigezogen, zumal es in Zentral-Thailand Überschwemmungen gab, solange der Mensch denken kann.
Kotchakorns Antwort auf die Flutgefahr ist der Centenary-Park auf dem Boden der Chulalongkorn-Universität im Stadtzentrum Bangkoks. Versteckt unter Bäumen und Gras liegt der interessanteste Aspekt des Parks: unterirdische Wassercontainer und ein großes Reservoir. Hier können ca. viereinhalb Millionen Liter Wasser gespeichert werden.
Unter normalen Umständen fließt das Wasser, das von den Pflanzen nicht absorbiert wird, in diese Container, wo es für trockenere Perioden gespeichert werden kann. Nachdem das Hochwasser wieder gesunken ist, kann dieses gespeicherte Wasser in das Leitungssystem eingespeist werden.
Noch in diesem Jahr soll auf dem Gelände der Thammasat-Universität ein ähnlicher Park entstehen.
Der Centenary-Park in der Chulalongkorn-Universität ist eine gern besuchte Grünanlage. Zumal dann, wenn man bedenkt, dass es in der Stadt pro Einwohner nur 3,3 Quadratmeter Grünfläche gibt. In London sind es beispielsweise 27 Quadratmeter und im Stadtstaat Singapur sogar 66 Quadratmeter.
Seri Suptharathit, Direktor des Zentrums für Klimaänderung und Katastrophenschutz an der Bangkoker Rangsit-Universität, sagte, dass die Grünflächen in Bangkok in den letzten 20 Jahren von 40 Prozent auf zehn Prozent geschrumpft seien.
Bislang hat kein Umdenken stattgefunden, weil die Grünflächen nach wie vor zurückgehen. Damit steigt das Risiko von Überschwemmungen, weil der versiegelte Boden das Wasser nicht mehr aufnehmen kann.
Der Centenary-Park wurde vor rund zwei Jahren angelegt. Auf diesem standen bis kürzlich noch Wohngebäude. Kotchakorn hob hervor, dass es im Park auch ein Bildungszentrum mit einem Grasdach und einen Kräutergarten gibt.
„Einmal regnete es sechs Stunden ununterbrochen sehr stark, und alle Straßen in der Umgebung waren überflutet, sagte sie. „Aber der Park konnte das ganze Wasser aufnehmen.“
Die Idee passt zu den Wasserrückzugs- bzw. Wasserspeichergebieten, die auf eine Initiative des verstorbenen Königs Bhumibol Adulyadej zurückgehen. Diese Gebiete nennen die Thais „Affenwangen“. So wie die Affen in ihren Wangen Bananen aufheben, um sie später zu essen, wird hier Wasser gespeichert, das nicht nur nicht die Umgebung überschwemmt, sondern später genutzt werden kann.
Seri vom Zentrum für Klimawandel glaubt, dass die jetzige Flutprävention zu sehr auf Betonbauten wie Dämme und Kanäle setzt. Eine Anlage wie Kotchakorns Park helfe und Seri schlug vor, mehr Farmer dafür zu bezahlen, dass sie ihr Land als „Affenwange“ zur Verfügung stellen, vor allem in der Regenzeit von Juli bis Oktober.
„Wir denken nicht genügend darüber nach, wie wir die Natur nutzen können“, sagte er. „Niedrig liegende Reisfelder und solche Dinge. Bevor das Hochwasser nach Bangkok fließt, befindet es sich erst einmal in ländlichen Gebieten.“
Die Stadtverwaltung ist durchaus besorgt und kündigte kürzlich 28 neue Projekte an, die Hochwasser verhindern oder zumindest abschwächen sollen. Budget: 26 Milliarden Baht. Dazu gehören Flutmauern und Fluttunnel, die gebaut werden, Kanäle werden ausgebaggert und erweitert.
Sakchai Boonma, der Direktor der Bangkoker Stadtplanungsbehörde, sagte, dass eine „grüne Zone“ östlich von Bangkok bereits als Wasserauffanggebiet vorgesehen ist. „Seit 2013“, sagte er, „wird wegen neuer Bauvorschriften besser mit dem Flutproblem umgegangen. Jetzt muss es einen Raum zwischen neuen Häusern geben, damit dort das Wasser von der Erde aufgenommen werden kann. Bangkok dehnt sich in jeder Richtung aus … die Stadtplanungsbehörde setzt auf die Lösung von Hochwasserproblemen.“
Seri vom Zentrum für Klimawandel sagte, die Armen litten nach wie vor unter starken Überschwemmungen. Außerdem seien alte Gebäude nicht gut genug gegen Hochwasser geschützt.
Seri prognostiziert, dass es alle zehn Jahre ein Jahrhunderthochwasser gibt und im Jahre 2100 Bangkok fast komplett unter Wasser stehen wird.
Wie immer bei diesen Langzeitprognosen kann niemand zur Verantwortung gezogen werden, wenn es nicht so kommt, wie vorausgesagt. Das gilt für den Klimawandel ebenso wie für die These, dass Städte im Meer versinken werden. Schon vor Jahrzehnten wurde prognostiziert, dass Mexico City nicht mehr da sein wird, wo es jetzt steht, weil die Stadt wegen einer beispiellosen Grundwasserentnahme rapide absinkt. Abgesehen davon würde es in Mexikos Hauptstadt aus diesem Grunde kein Wasser mehr geben. Doch Mexico City gibt es immer noch und Wasser gibt es dort auch noch.
Organisationen wie Greenpeace, die von Spendengeldern abhängig sind, müssen natürlich Ängste schüren, weil die Leute sonst auf die Idee kommen könnten, dass solche Organisationen überflüssig sind und keine Spenden mehr leisten. In diesem Sinne sagte Tara Buakamsri von Greenpeace, dass man nicht wisse, wie der schlimmste anzunehmende Fall aussehen könnte: Wenn das Meerwasser in die Stadt dränge, es gleichzeitig stark regne und gleichzeitig eine Flut von Norden komme, könne sich niemand vorstellen, was dann passiere.
Architektin Kotchakorn gibt zu, dass ihr Park nur ein kleiner Teil einer langfristigen Lösung sein könne, aber sie glaube, dass sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit steigere und sie der „Gesellschaft zeigen kann, was in den nächsten 100 Jahren getan werden sollte.“
Kotchakorn stieg auf ein im Park auf dem Boden verankertes Trimm-dich-Fahrrad. So können Leute im Park, der als Wasserauffangbecken dient, gleichzeitig Fitness machen.
„Ist es zu spät?“, fragte sie rhetorisch. „Ich habe keine Ahnung, aber wir müssen so viel wie möglich unternehmen.“
Übersetzung eines englischsprachigen Artikels aus The Guardian.
Erschienen in der TIP-Ausgabe 2019-4.
Auf unserer Website veröffentlichen wir regelmäßig einen Teil unserer Zeitungsberichte.