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Tourismus: Reiche Inder sollen Tourismusindustrie retten
Restaurants kämpfen in der Nebensaison ums Überleben, Foto: Gustav/TIP-Archiv
Vor 30 Jahren dachten die Thais, sie stünden mit Singapur im Wettbewerb um Platz eins. Vor 20 Jahren dachten die Thais, Malaysia sei als Wettbewerbspartner gut genug. Vor zehn Jahren glaubten die Thais, dass Vietnam kein ernst zu nehmender Wettbewerber sei. Der Globale Innovationsindex 2019: Singapur Rang 8, Malaysia Rang 35, Vietnam Rang 42 und Thailand Rang 43.
Und so kam es, dass sich das Land heutzutage mehr und mehr auf die Tourismusindustrie verlässt, die – je nach Berechnung – inzwischen bis zu 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Doch auch hier gibt es bekanntlich inzwischen Probleme.
Thailands Tourismusbranche findet jetzt Unterstützung bei Besuchern aus dem bevölkerungsreichen Westen, während die Jahre der Wachstumsraten mit Besuchern aus dem Norden vorbei zu sein scheinen.
In einem Strandhotel auf der Ferieninsel Phuket ist die Auslastung der chinesischen Kundschaft ins Stocken geraten, während die Buchungen aus Indien zugenommen haben. Das Vijitt Resort ist eines von vielen in Thailand, die optimistisch in die Zukunft blicken.
„Wir sehen ein neues Wachstum“, sagte Kongsak Khoopongsakorn, Vijitts General Manager und Vizepräsident des thailändischen Hotelverbandes. „Die Inder treiben jetzt das Wachstum der Branche voran, wie es die Chinesen zuvor getan hatten.“
Was mit dem thailändischen Tourismus passiert, könnte für die anderen asiatischen Volkswirtschaften ein Versuchsballon für den Freizeitsektor sein, falls in Indien quasi ein neues China entsteht und die Inder chinesische Touristen ersetzen.
Die thailändische Tourismusindustrie expandierte wegen der chinesischen Besucher um etwa zehn Prozent pro Jahr. Der Bootsunfall in Phuket im letzten Jahr, bei dem Dutzende von Chinesen ums Leben kamen, und eine abflauende heimische Konjunktur haben jedoch zu einem Rückgang der Zahlen geführt.
Im Gegensatz dazu nehmen die Besucherzahlen aus Indien in den letzten Monaten aufgrund von Direktflügen, einer Befreiung von der Visumpflicht und vor allem aufgrund des wachsenden Wohlstands zu.
Das rasche Anwachsen der Mittelschicht unter den 1,3 Milliarden Einwohnern Indiens hat die thailändischen Behörden dazu veranlasst, ihre Schätzungen in Bezug auf indische Besucher nach oben zu korrigieren. Mindestens zehn Millionen Inder werden jetzt voraussichtlich im Jahr 2028 eintreffen, eine mehr als fünffache Steigerung gegenüber den Besuchen im Jahr 2018. Diese Art von Wachstumskurs würde an den Anstieg der Zahlen chinesischer Touristen erinnern, die von 800.000 im Jahr 2008 auf mehr als zehn Millionen im letzten Jahr gestiegen sind.
China wird zwar ein wichtiger Markt bleiben, dürfte aber in den kommenden Jahren weniger Wachstumspotenzial bieten. Indien wird zur neuen Expansions- und damit Erfolgsstory des thailändischen Tourismus.
Chinesische Besucher machen derzeit 28 Prozent der gesamten ausländischen Besucher aus, weit vor Indern mit bislang kläglichen vier Prozent. Aber: Innerhalb von zehn Jahren werden die indischen Besucher voraussichtlich auf etwa 15 Prozent der Gesamtzahl ansteigen, während bei Chinesen ein Anstieg auf etwa 30 Prozent prognostiziert wird.
„Der indische Markt könnte möglicherweise mit dem chinesischen konkurrieren“, sagte Pisit Puapan vom Finanzministerium. Laut Pisit hat das hohe Wachstum in Indien auch dazu beigetragen, den Besucherrückgang aus rückläufigen Märkten wie Europa auszugleichen.
Thailand begrüßte im Juni rund 180.000 indische Touristen, ein Rekord, berichtete das Tourismusministerium letzten Monat. Es heißt auch, dass Inder durchschnittlich elf Prozent mehr pro Reise ausgeben als andere ausländische Besucher.
Die Anzahl chinesischer Touristen könnte in diesem Jahr tatsächlich rückläufig sein, da der Yuan gegenüber dem Baht geschwächt ist. Dies könnte kostenbewusste chinesische Touristen dazu veranlassen, weniger auszugeben oder gleich woanders hinzufahren.
Ein sich abkühlender Tourismusmarkt und die Rückführung von Dividenden trugen zur Entstehung des ersten Leistungsbilanzdefizits in Thailand seit 2014 bei. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum des Landes wurde bereits auf das niedrigste Niveau seit vier Jahren gesenkt, da auch die Exporte ins Stocken gerieten.
Vielflieger
Es gibt mehr Direktflüge zwischen indischen und thailändischen Städten, ein Grund für den Anstieg der Besucherzahlen in Bangkok, Phuket und Umgebung. Sie werden von Thailands Lebensmitteln und Einkaufsmöglichkeiten angezogen, und seine Strände erweisen sich als bedeutende Attraktionen.
Indiens fünftgrößte Fluggesellschaft GoAirlines India fliegt derzeit Phuket von drei indischen Städten aus an und plant sieben weitere Strecken. IndiGo von InterGlobe Aviation begann Ende letzten Jahres mit Flügen auf die tropische Ferieninsel.
Thai AirAsia, die größte Billigfluggesellschaft Thailands, verzeichnete im ersten Quartal 2019 ein Passagierwachstum von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Derzeit werden 47 wöchentliche Flüge von Bangkok aus zu neun indischen Städten angeboten, und es ist geplant, ein zusätzliches Ziel hinzuzufügen.
Was Indien betrifft, das China als bevölkerungsreichste Nation der Welt in acht Jahren ablösen soll und dessen Mittelklasse voraussichtlich weiter expandieren wird, ist Kongsak vom thailändischen Hotelverband zwar vorsichtig, aber voller Hoffnung für die Zukunft.
„Wir gehen davon aus, dass die Branche weiter wachsen wird“, sagte er. „Es ist jedoch wichtig, das Risiko zu streuen und einen guten Nationalitätenmix auf dem Markt zu haben. Wir können uns nicht auf einen einzigen Markt verlassen.“
Erschienen in der TIP-Ausgabe 2019-9