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Das Land der tausend Generäle
Foto: Pixabay
Bislang wurden bis September jeden Jahres praktisch alle neu beförderten Generäle, Luftmarschälle und Admirale Thailands in ihren neuen Positionen bestätigt.
Das Jahr 2019 verlief mit nur 789 Ernennungen recht ruhig, weit unter den 980 im Jahr 2018 und 944 im Jahr 2017, so die „Royal Gazette“, dem offiziellen Organ, in dem neue Gesetze und Ernennungen im öffentlichen Sektor angekündigt bzw. veröffentlicht werden.
Die epische Zahl der Beförderungen von Flaggoffizieren in Thailand beläuft sich auf mehr als das Doppelte der rund 400 Manager, die Tesco für Geschäfte beschäftigt, die über als 1000 Quadratmeter groß sind.
In einer Studie des Frankfurter Friedensforschungsinstituts aus dem Jahr 2015 berichtete der US-amerikanische Wissenschaftler Paul Chambers, eine führende Autorität, was das thailändische Militär anbelangt, dass es in Thailand über 306.000 aktive Soldaten gibt und 245.000 Reservisten. Das sind insgesamt 551.000 Soldaten, etwa 0,8 Prozent der Bevölkerung. Es wurde auch berichtet, dass ein General auf je 660 untergeordnete Armeeangehörige kommt.
In den USA kommt ein General auf 1600 untergeordnete Offiziere und Soldaten. Hier wird die Anzahl der Generäle vom Kongress begrenzt.
Es gibt nur noch ein halbes Dutzend Vier-Sterne-Generäle in der britischen Armee, die durch Budgetkürzungen stark geschwächt wurde. Äquivalenzen sind jedoch ungenau: Thailändische Offiziere beispielsweise gehen selten vorzeitig in den Ruhestand.
Ein ausländischer Beobachter schätzt, dass Thailand zwischen 150 und 200 Vier-Sterne-Generäle in tatsächlichen Kommandopositionen hat. „Vieles, was ein Vier-Sterne-General hier macht, würde ein Oberst oder untergeordneter Offizier anderswo tun“, sagte der Informant.
Nicht übereinstimmende Aufgaben führten in den späten 1980er und 1990er Jahren zu Protokollproblemen, als der Kontakt zwischen den burmesischen und thailändischen Streitkräften, insbesondere entlang der Grenze, zunahm. Die burmesische Tatmadaw folgt einem britischen Vorbild aus der Kolonialzeit, befördert wird hier eher sparsam. Manchmal wurde ein Major oder Oberst zu Treffen mit thailändischen Generälen entsandt.
Die offiziellen Gehälter nach Rang sind nicht hoch – etwa 60.000 Baht pro Monat für einen Zwei-Sterne-General. Hochrangige Offiziere in Kommandopositionen verdienen jedoch besser, weil sie eine zusätzliche Vergütung für die Position erhalten. Eine Vereinbarung, die eine Beförderung im Rang bedeutet, aber zu einer weniger aktiven Position, kann zu einem Einkommensverlust führen. Unterbeschäftigte ranghohe Offiziere werden häufig zu „Experten“ oder „Beratern“.
Ranghohe Offiziere gehen ausnahmslos mit 60 Jahren in den Ruhestand, wie alle thailändischen Staatsbediensteten. Sie haben sowohl Zeit als auch einen Grund, sich während des Dienstes einen zweiten Arbeitsplatz zu suchen. Einige der lukrativsten Sinekuren, das sind Ämter mit Einkünften ohne Amtspflichten, befinden sich in über 50 Staatsbetrieben wie bei der nationalen Fluggesellschaft Thai Airways International. Das Militär kontrolliert mehr Grund und Boden als jede andere Organisation im Land und besitzt viele Unternehmen, insbesondere Fernseh- und Radiosender, angeblich aus Gründen der nationalen Sicherheit.
Nach der Verfassung sind die Streitkräfte dazu da, die Monarchie, die nationale Integrität und die Souveränität zu schützen, wie dies auch in vielen anderen Ländern der Fall ist. Dem Militär ist jedoch traditionell eine zusätzliche Rolle zugewiesen worden, die am Ende von Abschnitt 52 der Verfassung fast begraben, jedoch fest verankert ist: „Streitkräfte sollen auch zum Zweck der Entwicklung des Landes eingesetzt werden.“
Die Divisionen für militärische Entwicklung üben weiterhin Funktionen aus, die an anderer Stelle eigentlich lokalen Zivilbehörden zugewiesen würden: Land- und Forstwirtschaft, Bau öffentlicher Gebäude und abgelegener Infrastrukturen, sogar Schulen.
„In Thailand gibt es Soldaten, die einen Teil ihrer Zeit in der Landwirtschaft verbringen“, sagte ein Militärbeobachter. „Das gibt ihnen im ganzen Land ein Profil.“
Die Frage, ob das Militär für seinen Hauptzweck – die Landesverteidigung – geeignet ist, bleibt unbeantwortet, da keine ernsten externen Bedrohungen bestehen.
Abgesehen von den Artilleriegefechten mit Kambodscha – Auslöser war der Streit um den Khmer-Tempel Preah Vihear gewesen –, waren thailändische Soldaten zuletzt 1987/1988 im Einsatz. Es gelang ihnen bei einem Angriff auf drei kleine laotische Dörfer in Grenznähe nicht, diese zu erobern bzw. laotische Truppen aufzuhalten, diese zurückzuerobern. 1000 Soldaten starben bei den Gefechten.
Thailands größtes aktuelles Sicherheitsproblem sind die drei moslemisch geprägten Unruheprovinzen im äußersten Süden des Landes, in denen die Spannungen im Jahr 2001 zugenommen haben. Die Unruhen forderten seitdem mehr als 7000 Menschenleben, wurden jedoch eingedämmt und wirkten sich mit Ausnahme einiger Bombenanschläge kaum auf andere Teile des Landes aus.
Der älteste General Thailands, Saiyud Kerdphol, wird im März 98 Jahre alt. Er wurde im Zweiten Weltkrieg und in Korea eingesetzt und trat 1983 als Oberbefehlshaber in den Ruhestand.
„Wenn wir das Militär als Institution aus der Politik heraushalten könnten, wäre das ein erster Schritt“, sagte er, der mit der Rolle der Streitkräfte in der thailändischen Politik unzufrieden ist. „Jeder, der ein General ist, ist unglaubwürdig.“
Übersetzung eines englischsprachigen Artikels aus asia.nikkei.com.
Erschienen in der TIP-Ausgabe 2020-2.
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